Hoyschrecke 2012

Yana Arlt
(Jurymitglied 2012)

Senftenberg, 27. November 2012

Werte Teilnehmer und Finalisten der „Hoyschrecke 2012“,

ich grüße aus der „dunklen Ecke“, in die, meiner Meinung nach, die Jury gehört und in die hinein von der Bühne die Worte und Noten dringen, die Botschaften, die kleinen und großen Offenbarungen der Künstler. Sie stellen sich in das Rampenlicht, stellen sich den Blicken des Publikums, stellen sich den kritischen Ohren und Augen der Jury. Meine ehrliche Anerkennung dafür!

Aus 34 Bewerbern wurdet ihr ausgesucht und hattet damit schon eine erste Hürde genommen. Viele Menschen meinen, das könne doch jeder, dort oben stehen und ein bisschen Musik machen. Seht doch nur, es macht ihnen ja auch noch Spaß… Sehen sie auch die viele Arbeit die dahinter steckt – die Feilstriche an den Texten – ja sogar die Überwindung, die es kostet, eigene Empfindungen und Erlebnisse in Worte zu fassen und sich geradezu zu entblößen in der Öffentlichkeit. Auch zwischen den eigenen Beiträgen Übergänge zu schaffen, muss man erst lernen. Nur einige, die im Publikum sitzen, ahnen, wie viele Jahre man Tonleitern, Harmonien, Anschlagtechniken… auf Klavier, Gitarre, Posaune, Hackbrett ect. geübt hat, um aus Wort und Melodie ein LIED werden zu lassen.

Bei „Herrmann Ball“ hat mir besonders die Experimentierfreude gefallen und die Harmonie zwischen den beiden Musikern. Eure Lieder haben zudem mehr als „drei Strophen und einen Refrain“. Das Spiel mit Stereotypen im „Heimatlied“ – wunderbar. Textlich war „Dazwischen“ mein Favorit.

Bei „Schwarz un Schmitz“ spürte man von der ersten Sekunde auf der Bühne die professionelle musikalische Ausbildung. In euren Texten arbeitet ihr mit verhauchten Bildern, die rational nicht (immer) zu fassen sind und deshalb direkt mit dem Empfinden des Zuhörers kommunizieren. Es braucht gar keine Federboa und tänzerische Einlagen als „Illustration“ für die Geschichte der Ballerina – die Stimme erzählt bildreich.

„Nadine Maria Schmidt“ und Til Kratschmer – das stimmt einfach. Die Stimme hat mich voll erwischt. Die Liedtexte sind Poesie. Mir gefiel euer „bodenständiges“ Auftreten – kein Schnickschnack, keine Kostümierung – die Sängerin steht vor dem Mikrophon, atmet noch einmal durch … und dann – Welle um Welle umrauscht die Präsenz das Publikum. Eine Stimme wie das Meer.
Wenn ich den zeitkritischen Texten von „Johanna Moll & Das Hartz 5 Orchester“ gern zugehört und so manches mal genickt habe, dann hat das nicht mit Lokalpatriotismus zu tun – ich meine ja nur, weil auch ich Brandenburgerin bin und nur ein paar Kilometer von Finsterwalde entfernt wohne. Dieses Duo ist für mich die größte Überraschung an diesem Abend gewesen. Da hat jemand eine Meinung! Und die sagt er auch – pardon, SINGT er – ähm, sie. Ja, es ist eine Frau, die, wie das kleine Kind in „Des Kaisers neue Kleider“ mit dem Finger auf die Scheinwelten zeigt und sagt „Der ist ja nackt“. Ich wünschte mir mehr solche Liedermacher… und die Posaune passt dazu wie die Faust aufs Auge.

Darf’s noch ein gesellschaftskritischer Text sein? Nein, Sie mögen keine hochtrabenden Reden und x-ten Studien. Bekommen Sie auch nicht. Sie werden vorn in die erste Reihe gesetzt und dann schicken wir „Hisztory“ auf die Bühne. Hier erzählt einer, der schon eine ganze Menge Leben mitgekriegt hat. Der junge Mann hat Straßenstaub auf seinen Schuhen; sein Instrument ist nicht der Konzertflügel im Gewandhaus, sondern die Gitarre, das Schellenband um die Knöchel und seine stampfenden Füße… „Der Lucky und die Mary Lou“. „Hisztory“ setzt Ihnen mit Geschichten die Suppe vor, die wir uns alle mit Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht eingebrockt haben. Bon Appetit!

„Ruben Wittchow & Band“ – also einer mit Gitarre vorneweg und drei Leute hinterdrein – das gibt doch schon erst mal ein Bild. Und klingt auch noch und kann sich immer noch steigern. Bin mal gespannt, was man von diesen Musikern in den nächsten Jahren noch hören wird.

„Götz Rausch“ kam sehr dezent daher und kokettierte dann ein bisschen mit seinem Alter. Fühlt er sich wirklich so? Ein bisschen mehr Mut zum Text – wer sich Gedanken macht über allgemein menschliche Abgründe, der kann entweder humorvoll mit seinen Erkenntnissen und Entdeckungen umgehen oder er nimmt die Zuhörer mit auf eine „Heldenreise“ mit allen dreizehn Stationen/ Elementen. Götz Rausch als Balladendichter? Es käme auf einen Versuch an.

Ludwig Johann Tromsdorff auf der Gitarre zu erleben, ist wirklich etwas Besonderes. Er scheint das Instrument im Schlaf zu beherrschen. Seine Präsentation auf der „offenen Bühne“ hatte auch das Publikum am Vorabend überzeugt. Gerade noch auf der „Offenen Bühne“ und jetzt auf der „Großen Wertungsbühne“! Ich wünsche mir sehr, dass dieser Erfolg auch eine Ermutigung zum Weitermusizieren ist – das mit dem Texten entwickelt sich auch noch und wird  immer intensiver mit jedem gelebten Tag/ Jahr.

Auch für mich war die Juryarbeit eine Prämiere. Wenn ich auch schon so manchen Literaturwettbewerb bisher auswertete, so war „vertonter“ Text noch nicht so oft und konzentriert darunter. Vielen Dank für den Genuss in der „dunklen Ecke“, euch zuhören zu können. Bestimmt werde ich dem einen oder anderen auf den Fersen bleiben – dem Internet sei Dank kann man viele Informationen zu euren neuen Projekten und Terminen unkompliziert abfragen.

Mit poetischen Grüßen
Yana Arlt
(Jurymitglied 2012)