Hoyschrecke 2010

Ein fröhliches Lied aus dem Zug der Verdammten
Von Uwe Jordan

Zum Café-Konzert des Liedermachertreffens hatte die KulturFabrik einen der Besten des Genres zu Gast: Jens-Paul Wollenberg. Zufall? Vor dem „SCHRECK“ der HoySchrecke posiert Bürgerschreck Jens-Paul Wollenberg, kongenial begleitet von Ein-Mann-Orchester Valeri Funkner am Bajan. Wollenberg ist Meister surrealistischer Wortgebirge, die von einer Zeile zur anderen ihre Kulisse von genussvoll-hinterlistig abgeschmecktem, sentimentalem Kitsch in wilde Wut wandeln können; die oft auf sonder- und wunderbare Weise mit den Melodien und Anti-Harmonien im Einklang stehen und selbst in der derbsten Entgleisung noch eine höchst noble Eleganz offenbaren, auf deren Grund Melancholie aufscheint, der sich nur schwer zu entziehen ist.



Genau das hatten die etwa 50Besucher der (damit voll besetzten) Kleinkunstbühne am Sonnabendnachmittag von Wollenberg erwartet; genau das bekamen sie – obwohl 16Uhr nicht Wollenbergs Zeit ist. Viel zu früh, eigentlich, für so viel Schwärze … Doch Dekoration und Novemberdüster zeigten sich hilfreich dem Meister, der als liebe Erinnerung an die Kinderzeit das Lied von den Ratten vortrug, als Glanzstück den Säufer am Kiosk gab, die Spekulanten- und Zockerwelt in eine Zeile schlug („wie Menschenfleisch nährt den Kannibalen/ nährt Menschenfleisch den Bankier …“), vom „Zug der Verdammten“ berichtete, in dem wir alle säßen, flotter Fahrt unterwegs; und der im finalen „Grau der Morgen“ krächzte: „Die Gedichte stinken mir/ ich hab’ sie satt…“ Hat er natürlich dankenswerterweise nicht. Er arbeitet an einem neuen Album. Zeit wird’s nach fünf Jahren Pause!

Offene Bühne – Der Hoyschrecken-Freitag am 26. November 2010
Anja Köhler Teilnehmerin und ehrenamtliche Betreuerin des Songclubs 2010)

Ein generalüberholtes Konzept brachte am Freitag bei Schneesturm und fröstelnden Temperaturen viel warmes Licht und Wohlgefallen auf die Kleinkunstbühne der Kulturfabrik Hoyerswerda. Das 14. Liederfest „Hoyschrecke“ bekam eine neue Geburtsstunde – die offene Bühne am Freitagabend. Laut erwünschter Voranmeldung wollten sich mehrere Teilnehmer in die Runde begeben und der ein oder andere sich über die Publikumswertung zur Nominierung für den nun am Samstag stattfindenden Wettbewerb um die einzigartige Hoyschrecke alá Helge Niegel (Kunstschmied und Metallgestalter) qualifizieren. Die Pforten der „Kufa Hoywoy“ und das Liedercafé (auch liebevoll Songclub genannt) öffneten sich am späten Nachmittag. Das fleißige Hoyschreckenteam der Kufa bahnte den Weg für neun Teilnehmer und reichlich Kleinkunstbühnenpublikum. Neben dem bauten die Leute vom Fördererverband PROFOLK e. V. die Ausstellung „25 Jahre PROFOLK“ auf und der Gundermanns Seilschaft e. V. – ebenfalls Förderer des Liederfestes „Hoyschrecke“ bereitete den Gästen und Liederleuten positive Präsenz.

Reinhard „Pfeffi“ Ständer (ehrenamtlicher Organisator und Urgestein) moderierte durch den Abend und gab den Hinweis auf ein gleichzeitig stattfindendes TV Ereignis im Ersten „Tatort – Tod einer Heuschrecke“ bekannt. Durch das Los war die Reihenfolge der Darbietungen beschlossene Sache, was der Spannung auf den Abend im Weiteren verhalf. Denn wie jedes Jahr waren auch unbekannte Künstler aufgeführt.

Den Anfang bereitete ein musikalisch stilistisch ausgestattetes Trio – die „Dresdner Lieder Defensive“ und gleich danach erzählte der Jungblutmusiker Axel Stiller aus Dresden in seinen Liedtexten aus dem Leben und von Tankstellen für Verlierer, bevor dann der durch großartige Projekte bekanntgewordene Johan Meijer aus Holland im sehr bewegendem Akzent mit drei Liedern wie ein Jeder viel zu kurz kam. Nachdem der Hoyerswerdaer Christian Völker auftrat und ankündigte nicht für den Wettbewerb nominiert werden zu wollen und dennoch seine Liedkunst für viel Beifall darbot, war das Publikum gerade mal bis zur Pause geführt worden. Gleich nach dieser stand Liedpoet Ulf Hartmann aus Braunschweig auf der Bühne und mit ihm ging es sanft in die zweite Runde. Gefolgt von Marianne Salz aus Hohenneuendorf, die bekannt gab, bis auf das Jahr 2005 von Beginn an das Hoyschreckentreffen zu begleiten. Dann stand der zusätzlich auch als Workshopleiter eingeladene und mit reichlich spontanem Witz versehene Berliner Günther W. Hornberger auf der Bühne, bevor dann ebenfalls der aus Berlin stammende Viktor Hoffmann, welcher in der alten Sowjetrepublik aufwuchs, mit unvorhergesehenem Abstand das Rennen machte. Da sein Terminkalender zum Bedauern aller Anwesenden einen Gewinnerauftritt im Wettbewerb am Samstag nicht zuließ, freuten sich die punktgleichen zweitplatzierten Axel Stiller und Johann Meijer.
Kein Funk & Fernsehen wäre in der Lage das Ereignis um die offene Bühne zu präsentieren, vor allem wenn die nachfolgende Session im Songclub ihren Lauf nimmt und nicht nur die Gitarren sich gegenseitig die Saiten zuspielen…bis dann auch der Letzte sich mit warmen Herz versehen zur Nacht aufmacht.

Mit der Preisverleihung in den frühen Morgenstunden und eine Auswertungsdiskussion am Sonntagmorgen endete das 14.Liederfest.

Neun Künstler und Gruppen, u.a. angereist aus der Schweiz, Hamburg, Wriezen oder aus dem Odenwald traten am Samstagabend in der Hoyerswerdaer Kulturfabrik im Wettbewerb um die ausgelobten Hoyschrecken an. Den Publikumspreis bekam der aus Reinbek bei Hamburg lebende Timon Hoffmann für seine satirischen Texte, sein professionelles Gitarrenspiel und seine überzeugende Gesamtdarbietung. Der Jurypreis ging an eine fünfköpfige Formation, die Gruppe TEEater aus Berlin, die mit gesellschaftskritischen Texten aus dem Hier und Heute und einer geschlossenen Ensembleleistung, ganz im Stile eines traditionellen scheinbar überlebten Liedtheaters, überzeugten.